Die Kino-Kirche
Die Gedächtniskirche steht nicht nur im Mittelpunkt des Westens, sondern auch in dem des allgemeinen Interesses. Man trifft sich vor ihr, man nennt Revuen nach ihr; man schimpft auf sie, weil sie den Autos im Wege ist; man regt an, sie abzureißen und anderswo wieder aufzubauen; man läßt sich in ihr trauen. Sie könnte der Dom des Westens heißen, doch man nennt sie, unehrerbietig, wie man hier nun schon ist, die Kino-Kirche, weil sie rings von den Filmpalästen des Westens eingekreist wurde. Wie ein Museum liegt sie da. Zweihunderttausend Autos sausen täglich an ihr vorbei. Zwanzig- oder dreißigtausend Menschen laufen in die umliegenden Kinos - die Kirche steht stramm und leer.
(Erich Kästner: "Frühling in Berlin", 1928)
plog - Di, 3. Jul, 18:35
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